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Me and myself
 
Sonntag, 7. April 2002
0.5

1uhrsiebzehn. Pascal hat die Musik etwas nach oben gedreht. Menschen tanzen auf Scherben in der Mitte des Clubs. Patricia hat Geburtstag, auf jeden Fall sagt sie das allen. Gerne gibt sie allen noch einen aus, an diesem Abend kann sie sich das leisten. Auf ihrer Geburtstagsparty vor 2 Monaten war sie leider nicht so spendabel. Carsten scheint sie schon beeindruckt zu haben mit ihrem debilen Gehabe, er wird sich ihrer sicher heute Nacht annehmen. Die Musik läuft auf Automatik. Pascal steht an der Bar, schaut tief in den Spiegel und picknickt. Ich öffne derweilen eine neue Flasche Gin. Plötzlich ein Schlaf auf die Schulter, der Gin schwappt neben das Glas. Es ist Guido, der Typ, der meine Texte so toll abgedreht finde, die ich mit Freunden in dieses Hypertextsystem stelle. Ich mag Guido nicht in greife ihm zwischen die Beine. Sein Gesicht verzerrt sich augenblicklich. Da wir hinter der Bar stehen, bekommt es keiner mit, was hier abgeht. Guido wird heute keinen Eisbeutel zum Schlafen auf dem Kopf brauchen. Auf meine Frage, wann wir gehen wollen, sagt Pascal nur, es wird nicht mehr lange dauern. In den Augenwinkeln sehe ich die Kleine wieder hereinkommen und zu Pascal schlendern. Ich hoffe, er fickt sie zuhause, ich bin müde.

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0.4

Gegen 4zehn Uhr wachte ich wieder auf. Pascal hatte sich den DJ- Kopf/hörer geschnappt und tanzte hinter der Anlage. Unglaublich. Eben noch stoned, jetzt wieder ein Energiebündel. Die Augen waren noch rot, gläsrig, wässrig, aber Pascal hatte Überlebenswille, immer wieder stand er aus der Scheisse auf. Die Kleine war von meinen Beinen
verschwunden. Ich machte mir auch keine Gedanken mehr über sie, war egal. Ein beliebiges Gefühl machte sich breit. Pascal begann mit seinen Hüften zu kreisen. Sein Gesicht verzerrte sich ein wenig. Dann entspannte er sich anscheinend wieder und tanzte weiter zum unhörbaren Rhythmus. Die Kleine kroch unter der Anlage hervor, ihr Lippenstift war völlig verschmiert. Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen. Pascal schaffte es immer wieder.
Unschuldig schaute sie zu mir herüber, wischte sich über den Mund und ging zur Türe hinaus. An der Bar genehmigte ich mir einen Gin und begann ebenfalls zu tanzen. Der Laden gehörte uns, der Chef war ausgeflogen, irgendeine Promosache, wie er es genannte hatte. Wir konnten durchtanzen. Bei der Lautstärke der Musik, er hatte die Kopfhörer abgenommen und alles wieder auf die Boxen, die hier verstreut rumhingen und rumstanden, gelegt, konnte ich fast die Stimme aus meinem Mobiltelefon nicht hören. Die Telefonkette war gestartet, wir orderten Menschen. Einige Freunde und Bekannte wollte ich anrufen, einige lockte ich durch meinen Anruf von ihrer Arbeit weg, aber dann brachten sie eben eine Krankmeldung, und andere lagen zu dieser Zeit eh nur vor der Glotze, für sie war es eine willkommene Abwechslung. Viele brachten Freunde mit, Bekannte, oder wer auch immer eben gerade in der Nähe war. Nach circa einer Stunde war der Club gerammelt voll. Ja, wir brachten Leben in die unterirdische kleine Stadt. Wir mussten uns was einfallen lassen, wie wir dem Besitzer, immerhin ein Bekannter von Pascal, beibringen wollten, warum die Leute seine Getränke plünderten, einige legten einen Zehner oder Zwanni in die Kasse, viele bedienten sich aber auch einfach so. Mir egal, dachte ich mir nur. Pascal hatte sich schon wieder zugeknallt, bekam das eh nicht mehr alles so mit hier. Mittlerweile 3undzwanzig Uhr durch, wie tanzen immer noch. Eine geniale Nacht. Die ersten Besucher liegen schon in den Ecken, auf den Toiletten wird gevögelt, ein riesiger Spiegel liegt auf der Theke, jeder, der etwas mitgebracht hat, packt es wie ein Picknick aus und genehmigt sich was. Ich habe viel getrunken in dieser Nacht. Stunden fliegen an mir vorbei, bin zu müde und voll, um sie zu greifen.

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0.3

Dachte ich mir damals so einfach, das alles. Wir gingen wieder wie so oft an den Abenden durch die schlafende Stadt. Für Pascal war es nie leicht, seinen Kick für den Abend zu bekommen. Die Razzien in den Clubs hatten zugenommen, wie auch Pascal, in den Straßen verkauften sie nur das billige Zeux, das gestreckte Traummittel. Für billige Huren und Hardcores mochte es reichen, die nahmen eh jeden Scheiß, den sie auftreiben konnten, doch Pascal war Edelabhängiger. Er nahm wirklich nur beste Ware, aber ob es immer das Beste war, wer wusste das schon. Wie so viele Abende zuvor suchten wir nach Leben. Die Mauern standen kalt und dunkel um uns herum, nur in wenigen Fenstern brannte um diese Uhrzeit Licht. Entweder waren es in dieser Gegend Studenten, die in letzter Minute irgendwelche Arbeiten bis zum Morgen fertig haben mussten, oder Männer und Frauen, die nicht schlafen konnten und in den Nachthimmel sahen, vielleicht mochte ja ein Stern für sie da oben verglühen. Unter der Erde, in den Clubs, da pulsierte das Leben der Stadt bei Nacht. Pascal und ich hatten eine Vorliebe für unterirdische Clubs gefunden, eigenartig, während oben die ersten Reinigungsfahrzeuge fuhren, tanzten wir unter der Stadt.
Im Club war nicht viel los. An der Theke standen die, die noch niemanden abbekommen hatten, spendierten sich gegenseitig Drinks und fanden sich häßlich, auf den Toiletten trieben es die Schwulen miteinander, aber das waren eben die Vorzeigeschwulen, welche entweder kein Zuhause hatten, ich stellte mir vor, ein Mädchen auf einer öffentlichen Toilette zu vögeln, nein wohl nicht mein Fall, oder es waren die Schwulen, auf die zuhause eben die Frau oder der Partner wartete und die keine andere Möglichkeit sahen. In den Sofas lagen die Müden, die Abgetanzten, die Vollen, die Abgedrehten, eigentlich alle, die entweder zu wenig vom Einen oder zuviel vom Anderen hatten, das Mittelmaß, wie auch immer gestaltet, aber ideal in seiner Mischung, hatte wohl keiner von ihnen gefunden. Eigentlich hatte ich mir wirklich alles ganz einfach vorgestellt, aber komisch, immer wenn man diesen Gedanken hatte, kam es genau anders. Ich bestellte für Pascal und mich zwei Gin, Tonic konnte man sich an die Backe nähen, meinte Pascal, und im Bezug auf Drinks war Pascal Meister aller Klassen, ließ anschreiben, der Besitzer schrieb diese Rechnung wahrscheinlich ab, wir zahlten nie etwas, mochte daran liegen, dass Pascal immer etwas für ihn dabei hatte. Pascal züngelte mit einem Mädchen herum, mochte 5zehn sein die Kleine, ziemlich violette Haare, Tigertop und einen engen Mini, nackte Beine und wunderschöne Lederstiefel. Sah klasse aus. Und unschuldig. Pascal hatte, was er wollte. Ich ließ mich von der Musik treiben und landete schließlich auf einem der Sofas. Schaute der dort Sitzenden ein wenig beim Fummeln zu, trank meinen ersten Gin und war glücklich. Zwischendurch dachte ich an Anke, aber das war letzte Woche, wir lebten in einer Großstadt, durfte man sich nicht so binden. Der DJ legte langsame Basslines auf, mein Magen spürte den Gin, ich den Magen und so schlummerte ich langsam weg. Wir waren seit 2 Tagen unterwegs. Als ich aufwachte, lag Pascal in einer Ecke des Clubs, alles um uns herum war leer. Der Dj hatte auf Automatik gestellt, auf dem Tresen stand der Gin in einer Flasche, die Kleine lag mit dem Kopf auf meinem Schoß. Ich strich ihr durch ihr halblanges Haar und war glücklich. Pascal lag grotesk verkrümmt da, doch ich wollte die Kleine nicht wecken, schloß wieder meine Augen, schwer waren sie und schlief wieder ein. Es musste gegen zehn Uhr am Vormittag sein.

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0.2

zur Toilette treffe ich noch einige Bekannte, muss gegen 5/00 gewesen sein, als ich endlich, mit ziemlich gestautem Hals, ans Becken komme. Als ich fertig bin merke ich, dass ich ins Handwaschbecken gepisst habe. Eine Umdrehung, hier sind gar keine Pissbecher an der Wand, ich bin in der Damentoilette gelandet. Egal, scheine alleine zu sein. Nur in einer Toilette liegt, unten am Rand sieht man es, eine Handtasche. Ziehe dran, vielleicht kann man ein paar Mark abgreifen. Lässt sich schwer ziehen. Mann, da kommt ne Hand mit unter dem Brett durchgerutscht. Scheisse. Weg hier. An der Tür gestoppt. Fuck, fuck, fuck, was mach ich jetzt. Um Hilfe schrein. Hört eh keiner bei dem Lärm. Abhauen. Bin keine feige Sau. Türe eintreten, gedacht, gesagt, gesplittert. Klatsch, hab einen Fuß in der Fresse, die Kleine liegt ja total verquer hier in der Kabine. Scheisse, warum sagt die denn nix. Ihr Lippenstift ist um den Mund gewischt, verschmiert, weichgeknutscht. Unter ihrem Trägershirt sind die Brustwarzen abgebildet. Jetzt merke ich auch, wie kalt es hier drinnen ist. Fenster sind auf, das der Tanzflächenmief abziehen kann. Ihr Mini ist hochgerutscht, der Slip hat Blümchen drauf. Ziemlich kindisch, schießt es mir durch die Hirnwindungen. Sieht auch nicht gerade alt aus, die Kleine. Schätze sie auf, naja, sagen wir mal 5zehn. Scheisse, scheisse, scheisse, was mach ich nur. Verdammt, seh ich ja jetzt erst, die Kleine hat ´ne Nadel im Arm. Na geil, na klasse, und ich hier in der Kabine. Höre von draussen Gelächter. Zwei ziemlich vollgesoffene Schicksen klappern gerade über den geplättelten Boden in die Damentoilette. Schließe mich in der Kabine ein, sitze halb auf der Kleinen. Mir wird schwindelig. Mir ist verdammt schlecht. Scheisse.

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0.1

Ein merkwürdiges Gefühl. Der Tag schaut einen aus dem Spiegel heraus an und man kann doch nicht sagen, was man da sieht. Ich habe eine anstrengend schöne Nacht hinter mir. Zuerst Kino, irgendwas Experimentelles, Stücke aus einzelnen Filmen nach dem Drehbuch eines unbekannten Filmemachers zusammengestellt, das ganze mit neuen Dialogen abgemischt und irgendwie eine ziemlich abgedrehte Musik dazu komponiert. Das alles in einem überfüllten Alternativkino mit engen Holzstühlen und billiger Bierbrause. Bier war das nämlich keines, und Radler auch nicht, eher irgendwas künstliches, aber egal. Irgendwann war das Filmchen aus, die Lichter gingen an, zumindest die, die funktionierten. Erstmal raus an die Luft, Kinos, in denen geraucht wird, entwickeln sich zu Erstickungskammern. Daher habe ich fleissig mitgeraucht, irgendwas muss man ja schliesslich atmen. Spät am Abend dann einen Freund in der Innenstadt getroffen. "Ey, Bock auf ne geile Studentenparty, nix Geld, much Fun". Hm, na also gut, Studentenfeten haben ja immer was recht witziges an sich, kenne es ja noch aus meiner Zeit. Wir kommen also dort an, ziemlich gammeliges Ambiente, Einrichtung und Menschen. Auf den Schrecken reisse ich mir ein Bier auf, setze an und mich hin. Die Musik blubbert auch nur aus den Boxen, wenig los. Für H. habe ich heute einige Texte aus dem Tagebau ausgedruckt, er wollte sie gerne einmal lesen. Ich mache ihm den Vorschlag, ist ja eh nicht viel los hier, ich lese sie ihm vor. Zweites Bier, erstes Blatt. H. hört gespannt zu. Ein fremdes Mädchen, dann noch ein Kerl, ziemlich abgerissen, setzen sich zu uns. Zuerst kichert die Göre, wie ich so lese, verschüttet dabei ihren Rotwein, dann aber beginnt sie zuzuhören. Immer mehr setzen sich dazu, ich bemerke es gar nicht. Lese, lese, lese. Ich lese über Tage, durchquere Wochen, reise durch Monate. Irgendwann bemerke ich, H. ist nicht mehr da. Ich frage einige der Anwesenden, einer sagt, der sei vorhin raus, falls ich den Typ mit dem Hawaihemd meine. Ich kann H.´s Hemden nicht leiden, konnte ich noch nie, nun aber bin ich froh, dass er eines anhand, wenigstens zum Wiederfinden taugen diese hässlichen Dinger also. Vor dem Haus sehe ich ihn. Auf die Frage, was denn los sei, sagte er nur, er hätte telefonieren wollen, drinnen sei es zu laut gewesen Außerdem habe sich seine Blase akut gemeldet. Ich finde es okay, er hätte auch lügen können. Nur, dass er in einen Briefkasten urinieren musste, finde ich zwar witzig, aber irgendwie nicht mehr seinem Alter entsprechend. Ich habe mit sowas, wenn ich getrunken habe, vor Jahren aufgehört. Sind sicherlich mittlerweile zwei oder drei Jahre, denke ich mir mal
so grob, wenn ich es überschlage. Ich habe meine Blätter schonmal mit aus der Wohnung genommen, also brauchen wir da jetzt auch gar nicht mehr hoch, die Flaschen trinken wir leer und stellen sie in der Nähe der Haustüre ab. Der Blick auf die Uhr erhascht den Minutenzeiger auf der neun, der kleine Zeiger, Fachleute sagen Stundenzeiger, nähert sich der zwei, drei... naja, ist ja eigentlich auch egal. An der Tankstelle kaufen wir noch ein handliches Paket mit sechs Bierflaschen, nur die kleinen Exemplare, und laufen an den Main. Die Wiese ist trocken, aber es ist ein wenig kalt. Ich bitte H., er möge Decken aus seinem Auto holen. Widerwillig trabt er los. Ich lege mich erstmal auf die Wiese und schaue in den Himmel. Dunkle Wolken. Sehen schön aus. So mächtig. H. kommt zurück, mit Decken bepackt. Wir hüllen uns ein, aber nicht in Schweigen. Ich lese die restlichen Einträge vor, die ich mitgebracht habe. Wortlos werfen wir später Kiesel ins Wasser. Platsch. Und ein neues Bier. Plitsch. Zielübungen mit der Flasche auf einen Mülleimer. Platsch. Die Sonne geht auf. Ziemlich schön, so ein ruhiger Morgen. Um sechs Uhr beschliessen wir ein Frühstück zu uns zu nehmen. Amerikanisch. Nicht viel los dort um diese Uhrzeit. Aber es schmeckt, wie immer. Der Kaffee brennt sich in die Lippen ein, ein klein wenig bitterer Geschmack erinnert an den Wachzustand. Ausgiebig schlemmen wir. Erzählen. Lachen. Merken, wie wir müde werden. Gegen halb acht sitzen wir wieder im Auto, Musik knallt aus der Heckablage, wir fliegen über die Autobahn. Um acht Uhr bin ich wieder zuhause. Es ist alles ganz still. ich schaue in den Spiegel und sehe einen Menschen, der gerne hinter den Spiegel blicken würde. Doch ich muss einsehen, ich bin nicht Alice. Ich nehme den Spiegel von der Wand, mein Gesicht bleibt auf ihm haften. Hinter dem Spiegel nur die nackte Wand. Mein Gesicht auf ihr. Das Bett schaut mit treudoof an. Ich habe keine Kraft, mich aus meinen Kleidern zu bewegen. Ich lasse mich einfach fallen, werde mich im Liegen ausziehen. Denkste. Irgendwie muss ich wohl sofort eingeschlafen sein. Als ich wieder aufwache, stehe ich kurz auf, ziehe mich aus, Shorts und ein Shirt an, schicke eine SMS, lege mich wieder hin und schlafe. Irgendwann nachmittags an diesem Tag, heute, bin ich wieder aufgewacht. Wegen mir hätte es auch morgen noch gereicht.

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letzte Änderung: 14.05.02, 22:09
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