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Me and myself
 
Sonntag, 7. April 2002
0.7

Auf dem Rücksitz liegen die Leichen der letzten Nacht, zerdrückte Zigarettenschachteln und einige Flaschen Bier. Pascal jagt den alten schwarzen Ford Taunus auf 140 km/h. Für eine Stadtautobahn eine enorme Geschwindigkeit, für den alten Wagen auch. Die rote Digitalanzeige der Uhr am Amaturenbrett flüstert 4:35. Es schimmert nur leicht in der blauen Innenbeleuchtung. Sechzig darf man hier fahren, wir überqueren die rote Ampel nach einer kleinen Geschwindigkeitsminderung mit circa 90. Pascal will gerade wieder das Pedal durchtreten, da blitzen hinter uns Lichter auf. Ich denke, jemand vom Max oder der Man´s Health wird es nicht sein, der eine Story braucht und weise Pascal darauf hin. Er grunzt und verlangsamt die Fahrt. Ich beuge mich nach hinten, durch die abgedunkelten Scheiben sieht man mich nicht und decke die Nacht mit einer alten Wolldecke zu. Die Bullen sehen nicht nach allgemeiner Verkehrskontrollaune aus. Pascal dreht also die Musik leiser und wir steigen aus. Meine Augenringe spannen schmerzhaft im Schein der Stabtaschenlampen. Sie filzen uns, finden aber nichts. Für die Geschwindigkeitsüberschreitung bekommen wir 120 Mark abgezogen, die Fishermen´s im Mund retten uns. Kofferraumkontrolle. Zwischen den Schlafsäcken ein vergammelter Verbandskasten und eine volle Flasche Jägermeister, Tittenheftchen und ein Klappspaten. Einer der Grünen blättert in den Heften herum. Der andere beugt sich in den Kofferraum und holt den Verbandskasten heraus. Öffnet ihn, leert ihn in den Kofferraum. Grinst plötzlich. Wo den bitte sehr die Aidshandschuhe seien. Pascal lacht. Ich zünde mir derweil eine Winston an. Der Staatsbeamte fragt erneut. Pascal schaut ihn ernst an und sagt, er brauche sowas nicht. Aber wenn der Cop Probleme hätte, wenn er sich einen runterholt, soll er sich doch selbst welche kaufen gehen. Zu den Kosten wegen Rasen löhnen wir noch 80 Mark für die Beamtenbeleidigung. Aber das war der Spaß wert. Pascal und ich können wieder einsteigen und weiterfahren. Der Kofferraum bleibt, wie er ist. Sollen sie doch Freude an der Kohle haben. Scheiße. An einem Kiosk halten wir an und Pascal holt Brötchen mit Salami und zwei Korn. Männerfrühstück. Beim Einsteigen tritt er den Auspuff vom Ford. Laut röhrend fliegen wir weiter durch den Morgen, einem neuen Tag in dieser verfickten Stadt entgegen.

 
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